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Schulanfang - Radio in der Schule

Bamberg, 19.09.07

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16.9.07 zwischen 10 und 12 Uhr, Radio Galaxy Sendung „Galaxy lifeline”, Ausstrahlung in ganz Bayern.

Teil 1

Moderatorin Anika Wiesbeck: Autolärm auf der Straße, Vogelgezwitscher auf den Bäumen oder die beste neue Musik bei Radio Galaxy - alles ganz normal, oder etwa nicht? Nicht für Gehörlose! Aber wie ist das eigentlich in der Schule? Wie bekommen gehörlose Mädels oder Jungs denn eigentlich Mathe verklickert (Anmerkung Matthias Derrer: locker für „erklärt”)?

Matthias Derrer: Der Unterschied ist zuerst mal gar nicht so groß. Der wichtigste Unterschied ist - klar - die Sprache, die ist anders. Aber die Sprache wäre zum Beispiel auch anders, wenn wir in England sind. Hier ist die Sprache eben die Gebärdensprache.

Moderatorin A.W.: Eine Sprache, die vor allem aus Zeichen besteht, die mit den Händen gebildet werden. Matthias Derrer ist Pfarrer der evangelischen Gehörlosengemeinde Bamberg. Er selbst ist hörend, hat aber die Gebärdensprache gelernt. Er unterrichtet auch das Fach Religion in der Von-Lerchenfeld-Schule, ein Förderzentrum in Bamberg für Hörgeschädigte. Ungefähr 170 Schüler in den Klassenstufen eins bis neun pauken (Anmerkung MD: locker für „lernen”) dort dieses Jahr. Die Klassen sind etwas kleiner, als in den Schulen für Hörende.

MD: Normal sind in der Gehörlosenschule so ungefähr die Klassen zwischen 12 und 20 Schüler.

Moderatorin AW: Aber weniger Unterricht bekommen Gehörlose nicht!

MD: Die normale Unterrichtsstunde ist 45 Minuten. Normal sind dann immer 2 Stunden zusammen, also eineinhalb (1,5) Stunden.

Moderatorin AW: Und dann ist Pause. Aber woher weiß man, dass die Pause wieder zu Ende ist? Gibt es etwa ein Gebärden-Pause-Klingeln?

MD: Unten im Pausenhof haben wir natürlich eine normale Glocken-Anlage für die Schüler, die schwerhörig sind. Es gibt aber neben der Glocke auch ein Lichtsignal. Das ist ein gelbes Blink-Licht, wie oben auf einem Abschlepp-Wagen. Damit wird es in Lichtsignale umgesetzt und dann können das die Schüler auch sehen.

Moderatorin AW: Klar - sehen können die Schüler ja! Allerdings wollen sie natürlich nicht immer alles sehen.

MD: Wenn sich zwei unterhalten und miteinander gebärden, dann ist sofort der Blick-Kontakt weg. Das passiert auch in einem hörenden Gottesdienst und in einem hörenden Religions-Unterricht, dass mal zwei miteinander schwätzen, aber die hören wenigstens noch mit einem halben Ohr, was da passiert (Anmerkung MD: locker für „sie hören noch ein bisschen von der Umgebung”). Dann kann man durch Rufen sich wieder Gehör verschaffen (Aufmerksamkeit bekommen). Das klappt im Gehörlosen-Bereich nicht. Da muss ich akkustische Signale völlig ausschalten und muss visuelle Signale senden. Also ich muss mal winken, oder auch durch Vibration, ich versuche auf den Tisch zu klopfen. Darüber muss ich versuchen so den Kontakt wieder her zu stellen.

Moderatorin AW: Schulanfangsgottesdienst und Musik-Unterricht - wie das in der Gehörlosenschule aussieht und wie der Schiri (Schiedsrichter) beim Schul-Fußball anpfeift - das erfahrt ihr gleich (weiter) in der Galaxy lifeline ....

(Musik)

Teil 2 Moderatorin AW: Zum neuen Schuljahr gibt’s praktisch in jeder Schule einen Schul-Anfangs-Gottesdienst, auch in der Von-Lerchenfeld-Schule in Bamberg. Dort gehen rund 170 Schwerhörige und Gehörlose zur Schule. Aber so ein Gottesdienst, bei dem man nichts hört, muss ziemlich leise sein, oder?

(Rufen der Schüler beim „FREI” am Schluss des Gebärdenlieds „Gott meine Zukunft”)

Moderatorin AW: Leise geht es beim Schul-Anfangs-Gottesdienst in der Von-Lerchenfeld-Schule in Bamberg ganz sicher nicht zu. 6 seiner älteren Schüler waren dieses Mal nur dabei, aber Action ist immer, sagt der Evangelische Pfarrer Matthias Derrer. Er unterrichtet das Fach Religion - in Gebärdensprache, versteht sich (locker für „ist selbstverständlich”).

MD: Im Bereich von Religion haben wir es oft mit Wörtern zu tun, die überhaupt nicht anschaulich sind. Wir haben sehr abstrakte Begriffe wie Frieden, Liebe, Glaube usw. Das sind alles abstrakte Begriffe, wo ich kein Bild präsentieren („gebärden”, „zeigen”) kann.

Moderatorin AW: Dem entsprechend gibt es auch nicht nur einen passenden Gebärden-Begriff. (Anmerkung: Nicht ganz richtig! Natürlich gibt es auch für das abstrakte, nicht-visuelle Wort „Liebe” ein Gebärden-Zeichen, aber was Liebe bedeutet muss ich durch Beispiele erklären.)

MD: Das heißt, wenn ich im religiösen Bereich zum Beispiel über Liebe spreche, auch über Gottes Liebe zu den Menschen, dann muss ich immer erklären, was gibt es für Beispiele; woran kann ich das (die Liebe) erkennen. Dann kann ich über die Auswirkungen sprechen und irgendwann kann ich hoffen, dass ein gehörloser Mensch versteht, dieses Beispiel und dieses Beispiel zusammen nehmen kann - das ergibt den Begriff „Liebe Gottes”.

Moderatorin AW: Diese Art der Erklärung würde im hörenden Unterricht manchmal auch nicht schaden. Neben Reli gibt’s natürlich auch noch andere Fächer und die sind bei Gehörlosen genauso beliebt oder unbeliebt wie bei allen Schülern. Pfarrer Matthias Derrer hat für uns mal als Gebärdensprachdolmetscher übersetzt, was seinen Schützlingen (locker für „Schüler, vom Lehrer geschützt”) Spaß macht.

MD: Am meisten Spaß macht ihm in der Schule die Pause und das Fußballspielen da; Deutsch macht ihm auch Spaß. Sie macht gern Mathematik und Deutsch und unterhält sich gern mit ihren Freundinnen hier in der Schule. Die Pause gefällt ihr auch gut.

Moderatorin AW: Das klingt vertraut. Wer bisher übrigens dachte, mit Musik haben gehörlose Schüler gar nichts am Hut (locker „kein Kontakt”), liegt falsch.

MD: Es gibt ein Fach, das heißt abgekürzt RME und bedeutet Rythmisch-Musikalische-Erziehung. Da finden schon musikalische Elemente Einfluss.

Moderatorin AW: Dabei geht es vor allem um Takt und Rhythmus und das Gefühl im Bauch.

MD: Wir spüren im Bauch den Bass. Das kann jeder andere auch spüren. Aber gehörlose Menschen spüren das sogar noch deutlicher, weil sie nicht durch den Hör-Eindruck abgelenkt werden.

Moderatorin AW: Es ist also kein Gerücht, das gehörlose oder blinde Menschen ihre anderen Sinne bewusster einsetzen. Das gilt auch, wenn der Schiri (Schiedsrichter) beim Fußball im Sport-Unterricht pfeift.

MD: Wenn Schüler da sind, die wenigstens noch ein bisschen hören, die hören natürlich auch die Pfeife. Die anderen Schüler orientieren sich auch automatisch und merken, das Spiel ist unterbrochen und über Gebärdensprache bekommen das alle mit.

Moderatorin AW: Besondere Umstände erfordern eben besondere Fähigkeiten. Viel Glück im neuen Schuljahr wünscht Anika Wiesbeck, evangelische Redaktion.

(Musik)



Matthias Derrer


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